Eine Ode an die Bildunterschrift:

Komm und hol mir mehr Leser!

Leser von Zeitungen, Zeitschriften, Magazinen und Webseiten schauen immer zuerst auf die Bilder. Sie danach bei einem Artikel zu halten ist Aufgabe der Bildunterschrift, denn die Textzeilen unter einem Bild wecken das Interesse, überhaupt weiterzulesen. Doch worauf kommt beim Verfassen von Bildunterschriften wirklich an und welche Fehler gilt es zu vermeiden?

Einer Studie des Medienwissenschaftlers Michael Haller zufolge, schauen neun von zehn Lesern einer Tageszeitung zuerst auf die Fotos. Für Zeitschriften dürfen ähnliche Werte angenommen werden, doch auch bei Online-Publikationen spielen Bilder eine gewichtige Rolle – und damit natürlich auch Bildunterschriften.

Zu diesem Ergebnis kommt der dänisch-amerikanische Usability-Forscher Jakob Nielsen, der von der New York Times als „the guru of Web page usability” betitelt wurde. Auch wenn bei Online-Seiten – im Vergleich zu Printmedien – die BU in der Regel zu einem späteren Zeitpunkt wahrgenommen wird, so ist die Bedeutung von Bildunterschriften sehr hoch einzuschätzen, denn: Wenn die Leser beim schnellen „Scannen” der Webpage über die Bilder und die entsprechenden Bildzeilen stolpern, dann setzt deren Inhalt oftmals den entscheidenden Anreiz zum Weiterlesen. In Fachkreisen spricht man deshalb von einer „Scharnierfunktion”, die BUs im allgemeinen einnehmen.

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Wir möchten Ihnen nachfolgend erläutern, welche gewünschten Eigenschaften eine Bildunterzeile aufweisen soll, welche journalistischen Regeln für das Erstellen von Bildunterschriften gelten, wie man sogenannten „Text-Bild-Scheren” vermeidet und wie ein paar Beispiele von „schlechten” und „guten” Bildzeile aussehen können.

 

Eigenschaften

Laut Henri Nannen, dem langjährigen Herausgeber und Chefredakteur der Zeitschrift Stern, verfolgt die BU genau einen Zweck: „Die Bildunterschrift liest dem Leser das Bild vor.” Konkretisiert heißt das soviel wie: Die Bildzeile transportiert die Stimmung des Bildes und darf Emotionen wecken. Grundsätzlich soll die Bildunterschrift den Blick auf das Besondere lenken oder ein Bild – bzw. die darauf abgebildeten Personen, Gegenstände, o.Ä. – symbolisch interpretieren. Bei Fachzeitschriften dienen die BUs in erster Linie dazu, komplexe Sachverhalte präzise zu veranschaulichen.

Regeln

Damit Bildunterschriften aber diesen gewünschten Eigenschaften auch Rechnung tragen, gilt es, gewisse „Schreibregeln” einzuhalten und diverse „No-Go’s” zu vermeiden. Folgende Übersicht listet jeweils 5 Do’s and Dont’s auf, die besonders entscheidend sind, um journalistisch hochwertige BUs zu erstellen.

Was man lieber unterlassen sollte:

  • BUs sollten so prägnant wie möglich sein, aber sie sollten keinesfalls wie Telegramme oder Maschinengewehre klingen. Im Gegensatz zu Schlagzeilen (Headlines) sollten sie alle Artikel und auch Konjunktionen enthalten.
  • Der Autor sollte niemals Annahmen darüber machen, was jemand in einem Bild denkt oder versuchen, die Gefühle der Person(en) zu interpretieren. Das muss der Leser für sich selbst entscheiden.
  • Der Schreiber sollte es vermeiden, ein Bild als schön, dramatisch, grausig oder mit anderen Begriffen zu charakterisieren, die auf dem Foto deutlich zu sehen sind. Frei nach dem Motto: „Vermeiden Sie das Bekannte, erklären Sie das Unbekannte.”
  • BU-Schriftsteller sollten sicherstellen, dass die Worte genau das Bild reflektieren. Ungenauigkeiten, Meinungen, Einschätzungen sind zu vermeiden. Das Foto soll für sich sprechen. Die BU dient nur als Unterstreichung.
  • Autoren müssen tunlichst auf die korrekte Rechtschreibung achten. Das gilt besonders bei der Schreibweise von Namen. Es sollte bspw. nicht John Smith in der Bildzeile stehen, aber John P. Smith in dem Fließtext.

Was man unbedingt befolgen sollte:

  • Die BU muss das Motiv des Bildes erklären und in den richtigen Zusammenhang rücken. Wer oder Was wird dargestellt und in welchem Kontext agiert das Wer oder Was?
  • Die Bildzeile sollte immer alle Fragen beantworten, die der Leser an das Bild stellt, also Fragen wie: Was macht die Person? Wo war das? Wann ist das Bild aus welchem Grund entstanden? Was hat das Motiv zu bedeuten? Gibt es eine tiefere Symbolik?
  • Die BU sollte kurz, klar und verständlich sein. Also keine langen Schachtelsätze. Allerdings darf die Bildzeile gerne originell, witzig, oder gar ironisch sein. Man sollte nur darauf achten, die Tonalität des Gesamttextes zu treffen.
  • Eine Bildzeile darf beim Leser nicht zu viel Vorwissen voraussetzen. Vielmehr sollte die BU so informativ und detailliert wie möglich ausfallen. Allgemein gilt es, einfach und anschaulich im Präsens zu schreiben.
  • Die BU darf nicht das wiederholen, was schon im Vorspann (Teaser) oder im Text steht. Vielmehr hat der Autor die Möglichkeit, seine Bildzeilen mit Informationen anzureichern, für die im Fließtext kein Platz mehr war.

Text-Bild-Scheren

Auch wenn Autoren sich an die allgemeinen Schreibregeln halten, so kommt es immer wieder zu sogenannten „Text-Bild-Scheren” – also zu Asymmetrien zwischen dem abgebildeten Motiv und dem darunter stehenden Text. Wenn die BU keinen direkten Bezug auf das Motiv nimmt, dann erscheint sie willkürlich. Vom Leser wird so eine Transferleistung erwartet, von der der Autor gar nicht wissen kann, ob der Leser sie erbringen kann oder will.

Eine Text-Bild-Schere entsteht auch dann, wenn sich die BU auf Aussagen im Text bezieht, die vom Bild aber nicht gestützt werden. Mit der ärgsten Schere schneidet man sich dann, wenn die Bildzeile etwas beschreibt, das auf dem Bild gar nicht oder kaum zu sehen ist. Wer sich dann noch anschickt, das Bild zu manipulieren, der begeht – mit Verlaub – ein Sakrileg.

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Bildquelle: Tagesspiegel

Beispiele

Die hier angeführten Beispiele sollen abschließend die Möglichkeit bieten, sich selbst ein Bild von korrekten und fehlerhaften BUs zu machen.

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Bildquelle: Wikimedia.org

Gute BU: Harmonischer Eindruck: Putin und Schröder reichen sich zur Begrüßung die Hand.

Schlechte BU: Wenn Putin so verschmitzt lächelt, dann kann das nichts Gutes heißen.

Gute BU: Putin und Schröder trafen sich bei einer Konferenz in Moskau. Die Begegnung wurde von teilnehmenden Journalisten als „herzlich” beschrieben.

Schlechte BU: Wird der Kanzler seine guten Beziehungen zu Putin nutzen, falls er die kommende Wahl verliert?

Fazit

Bildunterschriften sind zwar sogenannte „Kleintexte”, in ihrere Bedeutung aber groß. Leider hört man im journalistischen Betrieb viel zu oft die Forderung: „Jetzt noch schnell die BU machen, dann raus mit dem Artikel”. Dabei sollte sich jeder Autor klarmachen: Wenn der Leser bereits durch eine langweilige Bildunterschrift abgeschreckt wird, dann war die ganze Arbeit am Artikel umsonst.

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