Onlinezugangsgesetz

OZG 2.0 in der Praxis: Wie Sie Ihr Team, Ihren Stadtrat und Ihre Bürger auf die digitale Reise mitnehmen

10. Oktober 2025

Das Onlinezugangsgesetz 2.0 ist seit Juli 2024 in Kraft. Hunderte Artikel erklären die rechtlichen Anforderungen, technischen Standards und Fristen. Doch die Realität in deutschen Rathäusern sieht anders aus: Die größte Herausforderung ist nicht die Technologie – sondern die Menschen mitzunehmen.

Drei kritische Zielgruppen entscheiden über Erfolg oder Scheitern Ihrer OZG-Umsetzung: Ihre Verwaltungsmitarbeitenden, die neue Prozesse leben müssen. Ihr Stadtrat, der Budget und politische Rückendeckung geben muss. Ihre Bürgerinnen und Bürger, die die Services am Ende nutzen sollen – oder eben nicht.

Die unbequeme Wahrheit: Trotz Milliarden-Investitionen stagniert die E-Service-Nutzung in Deutschland seit zehn Jahren bei etwa 48 Prozent. Technisch funktioniert vieles bereits – aber die Akzeptanz fehlt. OZG 2.0 ist zu 30 Prozent ein Technik-Projekt und zu 70 Prozent ein Kommunikations-Projekt.

In diesem Artikel zeigen wir Ihnen konkret, wie Sie diese drei Zielgruppen strategisch und effektiv ansprechen – mit praxiserprobten Formaten, Templates und echten Beispielen.


Warum OZG 2.0 ohne Kommunikationsstrategie scheitert

Das Onlinezugangsgesetz 2.0 bringt ambitionierte Ziele: 16 Fokusleistungen mit Priorität, durchgehende Digitalisierung (Once-Only-Prinzip), die DeutschlandID als zentrales Bürgerkonto. Die Bundesregierung hat im Januar 2025 erfolgreich alle 115 priorisierten Bundesleistungen digitalisiert. Ein echter Meilenstein – auf Bundesebene.

Doch in Kommunen beginnt jetzt die eigentliche Arbeit. Und hier zeigen Erfahrungen aus dem ersten OZG-Durchlauf, was schiefgehen kann:

  • Mitarbeitende werden zu spät eingebunden und erleben Digitalisierung als Bedrohung statt als Werkzeug
  • Stadträte verstehen den Business Case nicht und verweigern Budget bei erster Verzögerung
  • Bürgerinnen und Bürger wissen nicht von neuen Services oder trauen sich nicht, sie zu nutzen
  • Medienbrüche bleiben bestehen: Digitales Frontend trifft auf Papier-Backend
  • Keine Krisenkommunikation: Erster Ausfall oder Datenpanne zerstört mühsam aufgebautes Vertrauen

Das Ergebnis: Technisch erfolgreiche Projekte, die niemand nutzt. Services, die entwickelt wurden, aber an der Realität der Nutzenden vorbeigehen. Frustrierte Teams, skeptische Politik, verunsicherte Bürgerschaft.

„Unser größter Fehler war, dass wir erst programmiert und dann kommuniziert haben. Beim zweiten Anlauf haben wir die Kommunikation von Tag eins mitgedacht – und die Akzeptanz hat sich verdoppelt.“

Digitalisierungsbeauftragter einer mittelfränkischen Kommune (anonymisiert)

Die Lösung: Parallele Kommunikation an alle drei Zielgruppen von Projektbeginn an. Nicht als Add-on, sondern als integraler Bestandteil Ihrer OZG-Umsetzung.


Kommunikationsstrang 1: Ihr Team – Change Management für die Verwaltung

Ihre Verwaltungsmitarbeitenden sind der Schlüssel zum Erfolg. Sie kennen die Prozesse, sie arbeiten täglich mit den Systemen, sie haben direkten Bürgerkontakt. Ohne ihr Buy-in scheitert jedes Digitalisierungsprojekt – egal wie gut die Technologie ist.

Warum Mitarbeitende Angst vor Digitalisierung haben

Die Ängste sind real und nachvollziehbar:

  • Arbeitsplatzverlust: „Ersetzen digitale Systeme meine Aufgaben?“
  • Überforderung: „Ich bin kein IT-Experte – kann ich das überhaupt?“
  • Kontrollverlust: „Meine 20 Jahre Erfahrung zählen plötzlich nichts mehr?“
  • Mehrarbeit: „Jetzt muss ich das Alte UND das Neue machen?“

Diese Sorgen wegzureden ist der falsche Weg. Stattdessen: Ernst nehmen, adressieren, transparent kommunizieren.

Kommunikationsformate, die funktionieren

1. Frühzeitige Einbindung in die Anforderungserhebung

Was: Workshops mit Sachbearbeitenden BEVOR Anforderungen an IT-Dienstleister gehen
Warum: Zeigt Wertschätzung ihrer Expertise, verhindert realitätsferne Lösungen
Wie oft: Mindestens 3 Workshops (Ist-Analyse, Soll-Konzept, Systemdesign-Review)
Besetzung: Fachbereichsleitung + erfahrene Sachbearbeitende + IT + externe Dienstleister

Praxis-Tipp: Dokumentieren Sie sichtbar, welche Mitarbeiter-Inputs ins System geflossen sind („Ihre Idee wurde umgesetzt“). Das schafft Ownership.

2. Regelmäßige Town Halls mit offener Q&A

Was: Monatliche Info-Veranstaltungen zum Projektstand für alle Mitarbeitenden
Warum: Gerüchteküche austrocknen, Transparenz schaffen
Format: 30 Min Projekt-Update + 30 Min Fragen (auch kritische!)
Frequenz: Monatlich während Entwicklung, wöchentlich 4 Wochen vor/nach Go-Live

Kritisch: Ehrlichkeit ist Pflicht. Wenn’s Probleme gibt, benennen – mit Lösungsplan. Schönfärberei rächt sich.

3. Champions-Netzwerk etablieren

Was: Pro Abteilung 1-2 „Digital Champions“ als Multiplikatoren
Profil: Technikaffin, respektiert im Team, kommunikationsstark
Rolle: Erste Ansprechperson bei Fragen, vermittelt zwischen Kollegen und IT, gibt Feedback
Incentive: Freistellung (z.B. 20% Arbeitszeit), Fortbildung, Sichtbarkeit

Warum das funktioniert: Peer-to-Peer-Kommunikation ist glaubwürdiger als Top-Down. „Kollegin Müller hat’s auch geschafft“ wirkt besser als „IT-Leiter sagt, es ist einfach“.

4. Schulung als „Empowerment“ framen

Nicht: „Pflicht-Schulung neue Software“
Sondern: „Qualifizierung: Werden Sie zum digitalen Prozess-Experten“

Schulungskonzept:

  • Basis-Training (2 Tage): Grundfunktionen, typische Workflows
  • Role-Based Deep-Dives (1 Tag): Spezifische Anwendungsfälle pro Fachbereich
  • Sprechstunden (wöchentlich, 6 Monate): Offene Fragestunde mit IT
  • Video-Tutorials (on demand): Kurze How-Tos für häufige Fragen

Timing: Nicht 6 Monate vor Go-Live (vergessen), sondern 2-4 Wochen vorher (noch frisch).

Quick Wins kommunizieren

Menschen brauchen Erfolgserlebnisse. Zeigen Sie früh und sichtbar, was sich verbessert:

  • Zeitersparnis quantifizieren: „Vorgang Wohnsitzanmeldung: früher 45 Min, jetzt 15 Min“
  • Medienbrüche beseitigt: „Keine Doppelerfassung mehr in System A und B“
  • Fehlerquote reduziert: „Automatische Plausibilitätsprüfung verhindert 80% der früheren Rückfragen“

Format: Monatlicher „Digital Update“-Newsletter (intern) mit konkreten Zahlen und Zitaten von Kolleginnen und Kollegen.

Checkliste: Interne Kommunikation OZG 2.0

  • Kick-off-Workshop mit allen betroffenen Abteilungen (Monat 1)
  • Champions-Netzwerk identifiziert und geschult (Monat 2)
  • Monatliche Town Halls etabliert (ab Monat 3)
  • Anforderungs-Workshops mit Fachbereichen (Monat 3-5)
  • Interner Newsletter gestartet (ab Monat 4, monatlich)
  • Schulungskonzept entwickelt (Monat 8-10)
  • Basis-Trainings durchgeführt (4 Wochen vor Go-Live)
  • Sprechstunden-Angebot etabliert (ab Go-Live, 6 Monate)
  • Quick Wins dokumentiert und kommuniziert (Monat 3 nach Go-Live)
  • Feedback-Runde mit allen Beteiligten (Monat 6 nach Go-Live)

Kommunikationsstrang 2:
Ihr Stadtrat – Politische Rückendeckung sichern

Ohne Stadtrat kein Budget. Ohne Budget kein Projekt. So einfach ist das. Doch Stadträtinnen und Stadträte sind selten IT-Experten – und das müssen sie auch nicht sein. Ihre Aufgabe: Ihre Kommune strategisch voranbringen und Bürgerinteressen vertreten.

Ihre Aufgabe als Verwaltung: OZG 2.0 so übersetzen, dass der politische Mehrwert klar wird.

Warum Stadträte skeptisch sind (und das gut ist)

Skeptische Fragen sind legitim und zeigen, dass Stadträte ihre Aufsichtsfunktion ernst nehmen:

  • „Wie viel kostet das wirklich – auch in 5 Jahren?“
  • „Was passiert, wenn’s schiefgeht? Wer haftet?“
  • „Warum sollen wir das machen, wenn andere Kommunen abwarten?“
  • „Verstehen unsere älteren Bürger das überhaupt?“
  • „Wie lange dauert so ein IT-Projekt realistisch?“

Diese Fragen nicht als Angriff verstehen, sondern als Chance: Sie zeigen, wo Ihre Argumentation noch nicht überzeugt.

ROI-Argumentation für Nicht-Techniker

Technik-Sprache überzeugt keinen Stadtrat. Nutzen-Sprache schon.

Statt: „Wir brauchen moderne IT-Infrastruktur“

Besser: „Unsere Bürgerinnen und Bürger sparen künftig drei Behördengänge – Wohnsitzanmeldung, Führerschein-Antrag und Gewerbeanmeldung funktionieren 24/7 online. Das bedeutet: Weniger Wartezeiten, mehr Zufriedenheit, attraktiverer Wirtschaftsstandort.“

Statt: „OZG 2.0 ist gesetzliche Pflicht“

Besser: „Wir werden als moderne, zukunftsfähige Kommune wahrgenommen. Junge Familien und Unternehmen schauen genau, wie digital eine Stadt ist – das ist Standortfaktor. Wer heute nicht digitalisiert, verliert morgen im Wettbewerb um Einwohner und Gewerbesteuer.“

Statt: „Das ist ein langfristiges Projekt“

Besser: „Wir haben einen klaren Meilenstein-Plan: In 12 Monaten gehen die ersten drei Services live. In 24 Monaten sind alle Fokusleistungen online. Sie können in jeder Stadtratssitzung sichtbare Fortschritte sehen – und wir kommunizieren jeden Erfolg auch öffentlich.“

Der Business Case für Stadträte

Eine überzeugende Stadtrats-Vorlage braucht drei Komponenten:

1. Executive Summary (1 Seite)

  • Situation: Gesetzliche Verpflichtung OZG 2.0 seit Juli 2024
  • Ziel: 16 Fokusleistungen bis 2026 digitalisieren
  • Nutzen: Höhere Bürgerzufriedenheit, Effizienzgewinne Verwaltung, Standortfaktor
  • Kosten: Einmalig €X für Implementierung, jährlich €Y für Betrieb
  • Risiken & Mitigation: Technische Risiken durch erfahrene Dienstleister minimiert
  • Zeitplan: 24 Monate mit klaren Meilensteinen

2. Nutzen-Tabelle (konkret)

StakeholderNutzenMessbar an
Bürger:innen24/7-Erreichbarkeit, keine WartezeitenNutzungszahlen, Zufriedenheitsumfrage
Verwaltung30% Zeitersparnis durch AutomatisierungBearbeitungszeit pro Vorgang
WirtschaftSchnellere Gewerbeanmeldung, weniger BürokratieDurchlaufzeit Gewerbeanmeldung
StadtratModerne, zukunftsfähige KommuneRanking in Smart-City-Indizes

3. Transparente Kostenaufstellung

Keine versteckten Kosten. Lieber realistisch kalkulieren als später nachbessern müssen.

  • Implementierung (einmalig): Software, Schnittstellen, Schulungen, Beratung
  • Betrieb (jährlich): Lizenzen, Hosting, Support, Wartung
  • Personal (laufend): 0,5 VZÄ Digitalisierungskoordination, Schulungskapazität
  • Risiko-Puffer: 15% für Unvorhergesehenes

Finanzierungsquellen recherchieren: Landesförderung, EU-Mittel, interkommunale Zusammenarbeit (Kostenteilung).

Zwischenerfolge inszenieren

24 Monate sind politisch eine Ewigkeit. Schaffen Sie alle 6 Monate kommunizierbare Erfolge:

  • Monat 6: „Anforderungen definiert, Dienstleister ausgewählt“
  • Monat 12: „Erster Service (z.B. Wohnsitzanmeldung) im Testbetrieb“
  • Monat 18: „Drei Services live, bereits 500 Online-Anmeldungen“
  • Monat 24: „Alle 16 Fokusleistungen erfolgreich digitalisiert“

Format: Kurze Präsentation im Stadtrat (5 Min) + Pressemitteilung + Social Media.

Föderale Koordination transparent machen

Eine der größten Herausforderungen bei OZG 2.0: Sie sind abhängig von Bundes- und Landesebene. Standards, Schnittstellen, Plattformen werden anderswo entschieden.

Transparenz schafft Verständnis:

  • „Wir können Service X erst launchen, wenn Land Y die Schnittstelle bereitstellt – aktuell für Q3 2025 angekündigt“
  • „Die Verzögerung bei DeutschlandID liegt beim Bund, nicht bei uns. Wir bereiten uns parallel vor und sind ready, sobald verfügbar.“

Wichtig: Nicht als Ausrede wirken lassen. Zeigen Sie, was Sie trotz Abhängigkeiten vorantreiben.

Checkliste: Stadtrats-Kommunikation OZG 2.0

  • Business Case entwickelt mit klarem ROI (Monat 3)
  • Stadtrats-Vorlage mit Executive Summary erstellt (Monat 4)
  • Informeller Pre-Brief mit Fraktionsvorsitzenden (vor offizieller Vorlage)
  • Stadtratsbeschluss erwirkt (Monat 5)
  • Halbjährliche Progress-Updates an Stadtrat etabliert
  • Bei Problemen: Proaktive Info an Stadtrat VOR Presse
  • Meilenstein-Erfolge im Stadtrat präsentieren
  • Finale Erfolgs-Präsentation (Monat 24) mit Ausblick Phase 2

Kommunikationsstrang 3:
Ihre Bürger:innen – Von Awareness zu Adoption

Das beste digitale Angebot nützt nichts, wenn niemand davon weiß – oder sich nicht traut, es zu nutzen. Der eGovernment Monitor 2024 zeigt: Nur 30 Prozent der Deutschen kennen das Bundesportal, nur 6 Prozent haben es 2023 genutzt.

Die Herausforderung: Sie konkurrieren mit 20 Jahren analoger Gewohnheit („Ich gehe halt zum Amt“) und digitalem Misstrauen („Was passiert mit meinen Daten?“).

Warum Bürger:innen digitale Services nicht nutzen

  • Gewohnheit: „Zum Amt gehen kenne ich, online machen ist neu“
  • Unwissen: „Es gibt das online? Wusste ich nicht.“
  • Misstrauen: „Sind meine Daten da sicher?“
  • Überforderung: „Ich bin nicht technikaffin genug“
  • Schlechte Erfahrungen: „Letztes Mal hat’s nicht funktioniert“

Jede dieser Barrieren braucht eine spezifische kommunikative Antwort.

Launch-Kommunikation: Die ersten 100 Tage entscheiden

Wenn Ihr digitaler Service live geht, haben Sie ein enges Zeitfenster, um Aufmerksamkeit zu erzeugen und Vertrauen aufzubauen.

Multi-Channel ist Pflicht, nicht Kür

Nicht alle Bürger:innen nutzen dieselben Informationskanäle. Sie brauchen einen Mix:

KanalZielgruppeFrequenzContent-Format
WebsiteAlle, die aktiv suchenPermanentDetaillierte How-Tos, FAQ, Video-Tutorials
AmtsblattÄltere Generation, traditionell3x (Ankündigung, Launch, Follow-up)Schritt-für-Schritt-Anleitung mit Screenshots
Social MediaJüngere, digital-affinWöchentlich, 8 WochenKurze Videos, Nutzer-Testimonials
Lokale PresseBreite Öffentlichkeit2x (Launch, Erfolgs-Story Monat 3)Pressemitteilung, Bürgermeister-Interview
DirektmailBetroffene (z.B. Gewerbetreibende)Einmalig vor LaunchPersönliche Einladung mit QR-Code

Nicht Features, sondern Nutzen kommunizieren

Klassischer Fehler: „Ab sofort ist die Wohnsitzanmeldung digital verfügbar.“

Besser: „Nie wieder im Wartebereich sitzen: Melden Sie Ihren Wohnsitz in 10 Minuten von zu Hause an – auch sonntags um 22 Uhr.“

Noch besser (mit Emotion): „Frisch umgezogen? Während die Umzugskartons noch im Flur stehen, erledigen Sie die Anmeldung bequem vom Sofa aus. Kein Termin, kein Warten, kein Stress.“

Vertrauen aufbauen: Datenschutz proaktiv adressieren

58 Prozent der Deutschen haben Sicherheitsbedenken bei Online-Behördengängen. Ignorieren Sie das nicht – adressieren Sie es offensiv:

  • Auf jeder Service-Seite sichtbar: „Ihre Daten werden nach höchsten deutschen Sicherheitsstandards verarbeitet. Server stehen in Deutschland. Verschlüsselte Übertragung.“
  • Erklärvideo (60 Sek): „So sicher sind Ihre Daten bei uns“
  • Siegel nutzen: DSGVO-konform, BSI-zertifiziert (falls zutreffend)
  • Transparenz zeigen: „Sie können jederzeit einsehen, wer auf Ihre Daten zugegriffen hat“

Onboarding: Die erste Nutzung muss ein Erfolgserlebnis sein

Sie haben genau einen Versuch. Wenn die erste Nutzung frustrierend ist, kommt niemand zurück.

Tutorial-Videos (maximal 2 Minuten)

  • Screen-Recording mit Voice-Over
  • Echte Use Cases zeigen, keine abstrakten Funktionen
  • Untertitel für barrierefreien Zugang
  • Direkt auf Service-Startseite einbetten

Service-Hotline (nicht nur Technik-Support)

Viele Fragen sind nicht technisch, sondern inhaltlich: „Welche Unterlagen brauche ich?“ „Gilt das auch für mich?“

  • Telefon-Hotline mit kompetenten Mitarbeitenden (keine Callcenter-Standardantworten)
  • Erreichbarkeit auch außerhalb klassischer Amtszeiten (z.B. bis 18 Uhr, samstags vormittags)
  • Chat-Option für digital-affine Nutzer:innen
  • Erste 3 Monate: Großzügige Kapazitäten einplanen

FAQ basierend auf echten Fragen

Nicht: „Was ist das Onlinezugangsgesetz?“ (interessiert Bürger:innen nicht)
Sondern: „Was passiert, wenn ich beim Ausfüllen unterbrochen werde? Kann ich später weitermachen?“ (echte Nutzerfrage)

Living Document: FAQ alle 2 Wochen aktualisieren basierend auf Hotline-Anfragen.

Feedback-Schleifen: Von Nutzern lernen

Die beste Kommunikationsstrategie ist wertlos, wenn Sie nicht zuhören.

  • Feedback-Button auf jeder Seite: „War dieser Service hilfreich?“ (Ja/Nein + optionales Kommentarfeld)
  • Nutzer:innen-Befragung nach 3 Monaten: Repräsentative Stichprobe, auch Nicht-Nutzer befragen („Warum haben Sie es nicht probiert?“)
  • Sichtbar umsetzen: „Aufgrund Ihres Feedbacks haben wir Funktion X verbessert“ → zeigt, dass Sie ernst nehmen

Case Study: Wie Wittenberge durch Partizipation Erfolg hatte

Die Stadt Wittenberge (Brandenburg, 16.000 Einwohner) hat vor Launch digitaler Services Fokusgruppen mit Bürger:innen durchgeführt. Ergebnis:

  • Erkenntnis, dass gewünschte Funktionen anders priorisiert werden sollten
  • Anpassung der Benutzeroberfläche basierend auf Feedback von über 60-Jährigen
  • Frühzeitige Identifikation von Verständnisproblemen bei Fachbegriffen

Resultat: Nutzungsrate doppelt so hoch wie in Vergleichskommunen ohne Partizipation.

Checkliste: Bürger:innen-Kommunikation OZG 2.0

  • Multi-Channel-Kommunikationsplan entwickelt (6 Wochen vor Launch)
  • Tutorial-Videos produziert (4 Wochen vor Launch)
  • FAQ erstellt basierend auf Pilot-Tests (4 Wochen vor Launch)
  • Service-Hotline geschult und einsatzbereit (2 Wochen vor Launch)
  • Pressemitteilung verschickt (1 Woche vor Launch)
  • Social Media Kampagne gestartet (Launch-Woche, 8 Wochen laufen lassen)
  • Amtsblatt-Beitrag mit Anleitung (Launch-Ausgabe)
  • Direktmail an Zielgruppen (z.B. Gewerbetreibende bei Gewerbeanmeldung)
  • Feedback-Mechanismus aktiv (ab Launch)
  • Nutzer:innen-Befragung (Monat 3 nach Launch)
  • Erfolgs-Story kommunizieren (Monat 3: „X Bürger:innen haben bereits…“)

Die 5 häufigsten Kommunikationsfehler bei OZG-Umsetzung

1. Zu spät anfangen

Der Fehler: „Erst entwickeln wir fertig, dann kommunizieren wir.“

Die Folge: Team fühlt sich übergangen, Stadtrat hat keine Zeit zum Nachdenken, Bürger:innen sind überrumpelt.

Die Lösung: Kommunikation ab Tag 1 mitdenken. Budget dafür einplanen (Faustregel: 15-20% des Gesamtbudgets).

2. Nur einen Kanal nutzen

Der Fehler: „Wir schreiben’s auf die Website, das reicht.“

Die Folge: Erreichen nur die, die ohnehin digital-affin sind und aktiv suchen.

Die Lösung: Multi-Channel-Ansatz. Unterschiedliche Generationen nutzen unterschiedliche Medien.

3. Technik-Sprache statt Nutzen-Sprache

Der Fehler: „Implementierung einer API-Schnittstelle zur Integration von EfA-Leistungen.“

Die Folge: Niemand außerhalb der IT versteht, worum es geht.

Die Lösung: Immer übersetzen: Was bedeutet das konkret für Bürger:innen? Für Mitarbeitende? Für die Kommune?

4. Keine Ressourcen für Kommunikation einplanen

Der Fehler: „Kommunikation machen wir nebenbei.“

Die Folge: Lieblos gemachte Pressemitteilungen, halbherzige Social Media Posts, überforderte Hotline.

Die Lösung: Professionelle Kommunikationsbegleitung einplanen – intern oder extern. Das ist Investitionsschutz.

5. Nach Launch aufhören zu kommunizieren

Der Fehler: „Service ist live, jetzt läuft’s von alleine.“

Die Folge: Nutzungszahlen stagnieren nach initialer Neugier, Feedback wird nicht eingeholt, Verbesserungspotenzial bleibt ungenutzt.

Die Lösung: Kontinuierliche Kommunikation mindestens 6 Monate nach Launch. Erfolgsgeschichten erzählen, Verbesserungen kommunizieren, Feedback einholen.


Praxis-Tool: Der OZG 2.0 Kommunikationsfahrplan

Ein 18-Monats-Projekt braucht einen strukturierten Kommunikationsplan. Hier ein Template, das Sie an Ihr Projekt anpassen können:

PhaseZeitraumIntern (Team)Politik (Stadtrat)Extern (Bürger:innen)
KonzeptMonat 1-3• Kick-off
• Anforderungs-Workshops
• Champions rekrutieren
• Informelle Pre-Briefings
• Business Case vorstellen
• Noch keine externe Kommunikation
EntwicklungMonat 4-12• Monatliche Town Halls
• Newsletter
• Design-Reviews mit Fachbereichen
• Stadtratsbeschluss (M5)
• Halbjahres-Update (M10)
• Teaser (M10): „Bald verfügbar“
• Fokusgruppen (M11)
Pre-LaunchMonat 13-14• Intensive Schulungen
• Sprechstunden starten
• Launch-Ankündigung• Multi-Channel-Kampagne
• Tutorial-Videos veröffentlichen
• Pressemitteilung
LaunchMonat 15• Go-Live-Event intern
• Wöchentliche Updates
• Offizielle Launch-Zeremonie• Social Media intensiv
• Hotline besetzt
• Lokalpresse-Berichterstattung
Post-LaunchMonat 16-21• Feedback sammeln
• Quick Wins kommunizieren
• Erfolgs-Update (M18)• Nutzer:innen-Befragung (M18)
• Erfolgsgeschichten (M18)
• Kontinuierliche FAQ-Updates

Verantwortlichkeiten klar regeln:

  • Projektleitung: Gesamtkoordination, Entscheidungen
  • Kommunikation (intern/extern): Content-Erstellung, Kanalmanagement
  • IT: Technische Inhalte, Schulungsunterlagen
  • Fachbereiche: Prozess-Expertise, User Stories
  • Bürgermeister/Landrat: Politische Repräsentation, Stadtrats-Kommunikation

Fazit: OZG 2.0 ist ein Kommunikationsprojekt

Das Onlinezugangsgesetz 2.0 stellt deutsche Kommunen vor enorme Herausforderungen. Doch die größte Hürde ist nicht die Technik – moderne Plattformen, Standards und Dienstleister existieren. Die größte Hürde sind die Menschen.

Verwaltungsmitarbeitende müssen neue Prozesse akzeptieren und leben. Stadträte müssen Budget freigeben und politische Rückendeckung geben. Bürgerinnen und Bürger müssen neue Services kennen, verstehen und nutzen.

Keine dieser Gruppen wird das automatisch tun, nur weil die Technologie bereitsteht. Sie brauchen alle drei dasselbe: Klare, ehrliche, kontinuierliche Kommunikation.

Die erfolgreichen OZG-Projekte der kommenden Jahre werden nicht die mit der besten Technologie sein – sondern die mit der besten Kommunikation. Diejenigen, die verstanden haben, dass Digitalisierung zu 30 Prozent ein IT-Projekt und zu 70 Prozent ein Change-Projekt ist.

Die gute Nachricht: Kommunikation ist planbar, lernbar, umsetzbar. Mit den richtigen Formaten, der richtigen Tonalität und ausreichend Ressourcen können Sie alle drei Zielgruppen erfolgreich mitnehmen.

Investieren Sie in Kommunikation. Es ist kein Luxus, sondern Investitionsschutz. Denn das beste digitale Angebot ist wertlos, wenn es niemand versteht, niemand unterstützt und niemand nutzt.

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